Laut & Leipzig - the blog of the Leipzig Jazz Days.

Gute Musik am falschen Ort

Nubya Garcia by Lukas Diller
Nubya Garcia by Lukas Diller

This is fucking London. Tank-Tops, Bucket-Hats, Sonnenbrillen, derber Sound. Nubya Garcia ist da und überfordert Oper und Tontechnik. 

Mit Garcia spielt eine Institution der jungen Londoner Jazzszene auf den 46. Leipziger Jazztagen. Am Eröffnungsabend steht sie nach Abdullah Ibrahim auf der Bühne der Leipziger Oper und liefert ein musikalisches Gegenprogramm.

Wo zuvor mit Ibrahim noch viel Stille und Reflektion dominierte, ist nun pure Energie. Der Drummer gibt mit einem engen Groove den Konzertauftakt, hinzukommen reggae-artig gespielte Keys und Kontrabass. Dann tanzt die namensgebende Künstlerin mit Saxofon in der Hand vor das Publikum und die Bühne tropft vor Coolness. Die Melodielinien begleitet sie mit Hüftbewegungen, den Beat tritt sie in den Boden hinein.

Im Hintergrund: Rege Kommunikation des Drummers und Keyboarders mit dem Mischpult. Mittels Handzeichen wird versucht, den Sound während des Spielens nachzujustieren. Eine mögliche Erklärung: Beide Musiker landeten nach Reisekomplikationen in Dresden statt Leipzig und kamen entsprechend spät an der Oper an. 

Weniger Kontrolle haben die Musiker*innen über den Sound nach außen. Die Räumlichkeiten der Oper, welche nicht ausgelegt sind für elektronisch-verstärkte Musik, erschweren einen klaren Klang. Was zu Beginn aus den Lautsprechertürmen links und rechts der Bühne kommt, lässt sich aus der vierten Reihe wohlwollend als musikalische Gemengelage beschreiben. So geht Garcias Saxofon im ersten Stück „Source“ fast komplett im Mix unter und so verbessert sich der Sound über den Konzertverlauf nur bedingt. Schade um die Klaviersolos, denn der prämierte Pianist Deschanel Gordon ist sicher gut. Immer klar sind jedoch die Drums: An ihnen stellt Sam Jones den rhythmischen, nie stoppenden Unterbau zu Garcias Musik, ändert spielerisch den Groove und treibt voran. 

Auch die Location, die Oper Leipzig, und Teile deren Publikums scheinen zum Sound Garcias nicht ganz zu passen. Das Gegenüberstellen der Konzerte an dem Abend fängt gut den Geist des Festivals ein, es zeigt, wie unterschiedlich verschiedene Generationen Jazz interpretieren. Zugleich liegt hier der Konflikt: Bei Abdullah Ibrahim ist die Oper der geeignete Ort, um andächtig zu lauschen und verständnisvoll mit dem Kopf zu nicken. Für die Musik von Nubya Garcia, zu welcher der Kopf und vor allem der Körper schneller bewegt werden wollen, werden die Sitze und Reihen zum Hindernis. Mit der Situation sieht sich auch die Künstlerin konfrontiert: Sie fordert das Publikum auf, sich frei zu fühlen, aufzustehen und zu tanzen, wenn es denn will. Der Appell gelingt nur bedingt. Ein paar tanzen, andere gehen. Auch sonst sucht die Künstlerin zwischen Liedern den Austausch: Mehrmals fragt sie das, teils zur Generalpause verstummte, Publikum, ob es denn noch da ist. Sie fragt nach der Stimmung, sie fragt nach Titelideen für unveröffentlichte Songs, sie fragt, ob die Leute London kennen. Die Antworten bleiben bis zuletzt verhalten. Schuld sind auch hier die Atmosphäre der Oper und Teile, vor allem leider der ältere Teil, des Publikums. 

Dabei ist der Sound cool, die Band auch. Der Körper will sich bewegen und die Antworten will man ihr am liebsten zurufen. Bloß nicht in der Oper. Daher der Appell: Liebe Nubya, bitte komm wieder. In Leipzig gibt es auch andere Bühnen. 

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