Jazzclub Live Special: Eva Klesse Quartett »Stimmen« #2

Wer Stimmen hört, wird für verrückt erklärt. Und umgekehrt: Wer verrückt, wird nicht gehört. Diejenigen, welche von der vermeintlichen Normalität, den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen und versteinerten Begriffen derselben, abrücken oder versuchen, diese nur ein Stück weit zu verrücken, finden nämlich häufig nur wenig Gehör.
Beim Projekt »Stimmen« von Eva Klesse wird der Lautstärkeregler für die Überhörten und Ungehörten hochgedreht. Die Zeitzeugenschaft in der DDR, Massenproteste 2021 gegen das russische Regime und zuletzt Queerfeindlichkeit in der Jazzszene wie auch die in Ägypten noch gängige Praxis der Genitalverstümmelung bei Frauen sind Thema. Sprachrohr dafür sind Berichte unmittelbar Betroffener; so wird das Publikum ergriffen und herausgefordert, sich mit diesen belangreichen Themen auseinanderzusetzen. Kontrastiert und komplementiert werden Sprechgesangsepisoden mit Improvisationen, die mal episch mitreißen, dann, den Geschichten entsprechend, fragend und verzweifelt wirken, doch zuletzt hymnisch für Hoffnung sorgen!
»Stimmen« ist also ein musikalisches Plädoyer für ein Verrücken in diesem Sinne: den kritischen, affirmativen und emanzipativen Stimmen einen Resonanzraum freiräumen und dadurch zugleich den Missständen und ausgegrenzten Rollen Sichtbarkeit auf der Gesellschaftsbühne geben.