Laut & Leipzig – der Blog der Leipziger Jazztage.

Kitschig, genau richtig

Trio Amore by Jan König
Trio Amore by Jan König

Das Trio Amore ist gekommen, um der Welt „Liebe zu bringen“. Nicht wie eine klassische Cover-Band spielen sie Lieder über das größte aller Gefühle. Ein Wohnzimmerkonzert in der Libelle mit Herz, Humor und stylischen Hemden.

Sonntags, halb drei. „So ein bisschen kitschiger Jazz“, sagt eine Frau aus dem Publikum, „genau das Richtige für einen Sonntagnachmittag“. Wie viele andere der Zuhörer*innen kennt sie einen der drei Musiker, die gleich in der Libelle spielen werden. Im heterogenen Publikum sitzen viele Freunde, die Eltern des Gitarristen, ehemalige Mitbewohner*innen des Schlagzeugers. Applaus, die drei Musiker betreten den Raum.

„Hoffnungslos romantisch“ heißt es im Programmheft der Jazztage über das Trio Amore (bitte übertrieben italienisch aussprechen). Keine Rosenblätter oder Kerzenlicht, nicht mal Rotwein. Dafür Lieder über die Liebe, Sehnsucht und ein bisschen Herzschmerz. Sie vervollständigen ihre selbstironische und nicht immer ernst zu nehmende Performance durch buntgemusterte Second-Hand-Hemden. „Wir sind gekommen, um der Welt Liebe zu bringen“, stellen sie sich vor.

Die Location ist klein, in einer Ladenstraße neben Cafés. Das Trio ist ein wenig zu laut für die Größe des Raumes. Die Musiker allerdings schätzen die Nähe zum Publikum: „Man kann den Menschen in die Augen sehen und mit ihnen interagieren.“

Musikalisch zeigt das Trio Spielfreude, technisches Können in Improvisationen und den Mut zu Experimenten. Zu Füßen des Gitarristen Nicolas Greiner liegt ein Sammelsurium an Pedalen und Tastern für vielseitige Soundeffekte. Schlagzeuger Johannes Bode benutzt neben verschiedenen Schlegeln und Besen auch Handtücher. Unterstützt werden sie durch Andris Meinig am Kontrabass. Er wandelt zwischen Streichen, Zupfen und seiner eigenen Spielweise. Die Rollen sind nicht immer eindeutig, etwa wenn die Rhythmusgitarre dem Bass die führende Stimme überlässt.

Thematisch geht es im weitesten Sinne um die Liebe. Die Grenzen sind zum Teil willkürlich, wie die Musiker einräumen. „Nicht so plakativ über Liebe“, fassen sie ihr Repertoire zusammen. „Wir spielen über Sehnsüchte und Lieder, die uns Spaß machen. Ja sogar, wo nur Liebe draufsteht.“ Das Trio ist keine gewöhnliche Cover-Band. Sie wollen die Originale nicht eins zu eins nachspielen. Dafür verzichten sie komplett auf Gesang. Somit ist immer ein bisschen Rätselraten dabei, welchen Song das Trio als nächstes spielt. Ein spürbarer „Aha-Moment“ bei jeder erkannten Melodie zeigt, dass der Plan dennoch aufgeht (was bei Songs aus den 50ern bis in die 2000er ebenso ein kleines Kunststück ist).

Zum Abschluss erklingt die theatralische Ballade „Can you feel the love tonight?”. Angewendet auf das nachmittägliche Konzert mit Trio Amore lautete die Antwort (Achtung, italienisch): sì.

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