Laut & Leipzig – der Blog der Leipziger Jazztage.

Des Kaisers neue Kleider

Tatu Rönkkö & Kalle Kalima by Susann Jehnichen

Wir haben ein Problem. „Lampen“ bezeichnen ihre Musik als „Post-Jazz“. Doch Lampen ist eine Rockband. Und keine gute.

Am Montag spielte das finnische Duo „Lampen“ mit Kalle Kalima und Tattu Rönkkö im Ost-Passage Theater Leipzig. Die beiden spielen E-Gitarre und Schlagzeug. Sie tragen langes Haar, Hose und Hemd eng geschnitten und gleich gemustert. Perfekte Outfits, um in die zweite Lebenshälfte zu skaten. 

Pünktlich legen sie los. Am liebsten würde man sagen: die „Jungs“ – wenn es nicht so despektierlich wäre. Wer in der Schulzeit eine Band im Bekanntenkreis hatte, erinnere sich an die Probenraum-Sessions und hat eine Idee von der Stimmung im Raum. Es kifft nur niemand und der Tinnitus danach bleibt aus.

„Lampen“ präsentiert eine Hour Of Rock. Es wird ein Zitat ins andere geschüttet. Oft hat man die Ahnung, so etwas schon gehört zu haben. Es klingt mal nach rückwärts abgespielten Soli von Hendrix und den Beatles, nur eben vorwärts. Mal wie ein The Doors-Intro, aber acht Minuten lang. Man erahnt Hells Bells, Big River, Nirvana, Black Sabbath. Anzuerkennen ist: Kalima kann spielen wie drei Menschen auf einmal –  zwei mittelmäßige Gitarristen und noch ein Basser. 

Es fehlt an motivischen Ideen und Lautstärke. Wer erzählt, dass es hier um Nuancen geht, dem ist zu Streichquartetten zu raten. Es gibt immer wieder Minuten, in denen beide in die Ecke nickend im freien Spiel die Stoßrichtung verlieren. Das sind dann die Jazz-Parts. Ein Kratzen am Becken, die Augen zu und noch ein Gitarrensolo im Stehen – so mimt man Musik.Eine Loopstation gibt es auch – die sorgt zumindest kurzzeitig für mysteriöse Atmosphäre.

Doch die Lage ist ernst. „Lampen“ sollen gerne Rock machen und Kalima und Rönkkö sind zweifelsfrei enorm fähige Musiker, aber spannend ist hier wenig. Sie verlieren sich mitunter in Klischees und das Problem, das wir aus dem Jazz von sogenannten Standards kennen, das Wieder-und-wieder-Aufwärmen von Altbekanntem, begegnet uns hier erneut.

Wir müssen „Post-Jazz“ hier beim Wort nehmen. Es ist Musik, die auf den Jazz folgte. Also Rockmusik. Doch etwas neu zu labeln, um so für Aufwertung zu sorgen, funktioniert nur auf Zeit. Irgendwann wird klar, der Kaiser trägt gar keine Kleider.

Man misst sich an dem Genre, in dem man sich bewegt. „Lampen“ bedient permanent Stereotype des alten und neueren Rock und verschenkt gleichzeitig die Vorzüge der Stilrichtung. Es fehlt an Prägnanz und Dringlichkeit. Vielleicht hätte es schon geholfen, den Amp etwas aufzudrehen.

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