Das emanzipatorische Potential der Jazzimprovisation
Eine populäre Charakterisierung des Jazz lautet, dieser sei eine Musik der Freiheit und des Widerstandes. Dabei werden oftmals Themen wie Rassismus, Black Music oder der subkulturelle Widerstand eines vermeintlichen Undergrounds in den Vordergrund gestellt. Der ästhetische Gegenstand und die Improvisation bleiben dabei gerne unbeachtet. Jedoch bietet gerade die Jazzimprovisation ein Interaktionsbündnis an, in dem emanzipatorisches Potential nicht nur vermutet werden kann, sondern nach Aussagen von Musikern auch zur konkreten Verwirklichung kommt. Dabei ergibt sich jedoch die Frage, was für eine gleichberechtigte improvisatorische Interaktion konstitutiv ist, anhand welcher Kriterien die Musiker ihre jeweiligen Positionen in der Gruppe aushandeln und wie sich die Interaktion dadurch letztendlich auch inhaltlich strukturiert.
Was zeichnet improvisatorische Interaktion im Jazz also aus? Zudem ist zu berücksichtigen, dass Jazz nicht in einem autarken Raum, sondern innerhalb der Kulturindustrie stattfindet, die sowohl das Artefakt, als auch die Musiker nicht unberührt lässt. Somit sind nicht nur die positiven Potentiale, sondern zugleich die möglichen Brüche der Jazzimprovisation mitzudenken – aber wiederum auch, wie sich die Improvisation zur Warenproduktion verhält.
Ausgehend von der Theorie der Kulturindustrie soll der Vortrag somit versuchen soziologisch zu erklären, wie improvisatorische Interaktion im Jazz funktioniert, welches emanzipatorische Potential darin liegt und wie sich letztendlich das Vermittlungsverhältnis zwischen Individuum und Kollektiv charakterisiert. Der Vortrag stützt sich dabei auf Erkenntnisse, die im Rahmen einer aktuellen empirischen Studie mit jungen Jazzmusikern gewonnen wurden.
Martin Niederauer ist Diplom-Soziologe und promoviert derzeit an der Goethe-Universität Frankfurt zum Thema „Die Widerständigkeit des Jazz.“