Jazzkalender #290

LET’S TALK ABOUT JAZZ … AND RASSISMUS
Während die Prosecco süffelnden Damen sich an ihrem leichten Schwips erfreuen und ob des rüden Charmes von Don Shirleys Haudegen-Chauffeur Tony Lip verschmitzt seufzen, fragen wir uns, ob ein zweistündiger Road-Movie wie »Green Book« – der zum Wohlfühlen einlädt und im behaglichen, wie erwarteten Hafen der Freundschaft mündet, nicht eher mystifiziert als wachrüttelt. Es wird der Eindruck erweckt, Rassismus gehöre inzwischen der Vergangenheit an und könne, sollte es sich anders verhalten, durch das gemeinsame Verspeisen von frittierten Hühnerbrüsten überwunden werden. 
Natürlich ist es zynisch, über den Film von Peter Farrelly (Kinostart 31.01. u.a. im Passage-Kino), der den Beginn der Freundschaft zwischen Pianist Don Shirley (Mahershala Ali) und dessen Chauffeur (Viggo Mortensen) auf einer Konzertreise durch den Süden der USA im Jahr 1962 zeigt, derart zu urteilen. »The Negro Motorist Green Book« dient dem immerzu hungrigen und dank der Hühnerbrüste auch stets fettfingrigem Tony als Ratgeber, um diejenigen Orte ausfindig zu machen, in denen man als Person of Color wenigstens mit einem Bett für die Nacht rechnen darf. Denn mit dem Schwinden des Lichts greift die unsägliche „Tageslichtregel“ und verbietet all diejenigen, die nicht weiß sind, den Aufenthalt im Freien. Wenngleich wir »Green Book – Eine besondere Freundschaft« nicht ohne Vorbehalt empfehlen möchten, sind wir dankbar für den Denkanstoß: Ist Jazz noch ein Synonym für Freiheit und das Aufbegehren für ebenjene, ein Ausdruck für Kosmopolitismus, eine Musik, die nicht explizit politische Inhalte vermitteln muss um nichtsdestoweniger immanent politisch zu sein? 1960 erschien »Max Roach’s Freedom Now Suite«. Nina Simone sang wütend »Mississippi Goddam« und gedachte auch an den afroamerikanischen Aktivisten Medger Evers, der 1963, in Jackson Mississippi ermordet worden war. Absolut sehenswert und online auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung frei verfügbar, der Dokumentarfilm »I am not your Negro«. Auf der Grundlage eines Textfragments von James Baldwin spannt dieser den Bogen von der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er Jahre bis zur Black-Lives-Matter-Bewegung der Jetztzeit. Ebenfalls brandaktuell und hörenswert: Ein Podcast von Christian Eichler, der darin unter anderem mit Wolfram Knauer, Direktor des Jazzinstituts Darmstadt, über oben aufgeworfene Fragen spricht. In dem Bewusstsein, dass Freiheit und Gleichheit stets  auch den Mut erfordern, für sie einzustehen!  
Eure Jazzkalender-Redaktion 
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