Jazzkalender #344

Let’s talk about Jazz… und Irrtümer

Wie viel Jazz passt in eine Woche, könnte man sich in Zeiten allumfassender Quantifizierungstendenzen fragen. Der Oktober hat bewiesen: Mehr jedenfalls, als man für gewöhnlich denken mag. 34 Programmpunkte hatten die diesjährigen Leipziger Jazztage zu bieten. Und wer wie ich bisher glaubte, für Menschen jenseits der 30 genüge im Durchschnitt ein Konzertbesuch pro Woche, wurde hier eines ersten Irrtums überführt.

Jazzkalender November
Jazzkalender November

Zudem pflegte ich bisher in Momenten des ungezügelten Größenwahns zu glauben, nach geschätzt 1487 Konzerten in knapp 20 Jahren alles schon mal in der einen oder anderen Form gehört oder gesehen zu haben. Nicht zuletzt Laura Robles ist es zu verdanken, dass ich mich auch dieses zweiten Irrtums entledigen konnte. Denn ihr Cajón-Spiel im Rahmen ihrer Auftritte mit Agua Dulce und GANNA erinnerte (natürlich) nicht an den schon viel zu oft gehörten, post-hippiesken Fußgängerzonen-Folk, sondern eher an apokalyptisch-anmutende Drummachine-Salven im Industrial-Style.

Und da wir gerade schon bei Vorurteilen sind: Auch die bisher eher unliebsame und (vermeintlich) liebliche Flöte hat für mich im Zuge des Festivals eine gänzlich neue Konnotation erfahren. Die Axt an Irrtum Nummer drei legten Dalla Torre/Joussein/Zöschg mit ihrem fulminanten Auftritt in der galerie KUB – endgültig zu Fall gebracht wurde er durch die Jazz-punkigen Kaskaden von Witch ’n‘ Monk in der Schaubühne Lindenfels.

Auch die übrigen 31 Konzerte boten so manche Überraschungen und Einsichten – unter anderem die, dass das Völkerschlachtdenkmal auch nach mittlerweile 113 Jahren (zum Glück!) noch felsenfest steht. Zumindest konnte es selbst durch Stian Westerhus‘ markerschütternden Klangeruptionen nicht zu Fall gebracht werden.

Einen Überblick über die zahlreichen weiteren Festival-Highlights – vom Immanuel Wilkins Quartet über Anw Be Yonbolo bis hin zu Aly Keita – findet ihr nach wie vor auf unserem Festivalblog »Laut und Leipzig«. Produziert und verfasst wurden die zahlreichen Text-, Podcast- und Video-Beiträge von insgesamt 15 Nachwuchs-Journalist:innen, die in diesem Jahr an der nunmehr dritten Ausgabe der Medienwerkstatt teilgenommen haben.

Doch natürlich möchten wir mit dieser Ausgabe nicht nur zurück, sondern auch und vor allem nach vorne blicken. Wer die folgenden 13 Seiten aufmerksam liest, wird feststellen: Von trübseliger Katerstimmung in abgedunkelten Kaschemmen ist der November weit entfernt. Denn vom Nils Kugelmann Trio über das Moses Yoofee Trio bis hin zur Leipziger Formation Görda haben wir wieder zahlreiche, unbedingt empfehlenswerten Kultur- und Konzerttermine für euch zusammengetragen. Und auch das obligatorische «Album des Monats« haben wir für euch in petto – dieses Mal von einem Duo, das sein zumindest im musikalischen Sinne hochromantisches first date einst im Rahmen der Leipziger Jazztage hatte.

Bis bald, und frohe Lektüre!

Luca

Jazzkalender-Redaktion

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