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Jazz & Natur Zwischen Romantischem kunstlied und soundtrack zur apokalypse

Das Erleben von belebter und unbelebter menschlicher Umwelt — das, was wir als „Natur“ deuten und bezeichnen — ist seit jeher relevant für die Selbstwahrnehmung des Menschen. Ob romantisch verklärt, im Zentrum von Allmachtsphantasien oder als Drohszenarien: Naturmotive wirkten und wirken in vielerlei Hinsicht auf die Selbstdefinition des Menschen und sein künstlerisches Schaffen ein.

Neben unserem Festival im Herbst – den Leipziger Jazztagen – präsentieren wir mit unserem kleinen Festivalformat MusikZeit seit 1991 im Frühling (dieses Jahr ausnahmsweise im Sommer und Winter) Musiker*innen, die sich durch eine besondere Ausdrucksweise hervortun, künstlerische Weiterentwicklungen provozieren und dazu beitragen, den zeitgenössischen Jazz für die Gesellschaft unserer Gegenwart anschlussfähig zu machen. 2021 unter dem Themenschwerpunkt »Jazz & Natur«. 

Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur birgt gegenwärtig großes Potenzial, einen weltumspannenden Generationenkonflikt heraufzubeschwören. Während die Jüngeren, zunehmend von existenziellen Ängsten ergriffen, nachdrücklich zum Handeln aufrufen, machen selbst in Mitteleuropa pandemische Zustände und extreme Wetterphänomene apokalyptische Zukunftsszenarien erschreckend greifbar. Gedanken an unumkehrbare Zerstörung sind nahezu allgegenwärtig und lassen uns Umwelt in einer neuen Qualität erfahren. Global betrachtet ist es nicht nur das Alter, das eine Differenz zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen entstehen lässt. Die historisch weitreichende Ausbeutung des globalen Südens sowie der darauf basierende Wohlstand des globalen Nordens, wirft die Frage auf, wie wir heute und zukünftig die Verteilung von Ressourcen sowie den Zugang zu Lebensqualität gestalten wollen. 

Diese gesamtgesellschaftlich bewegenden Dynamiken spiegeln sich auch in der jungen Jazzszene wider. Musiker*innen bemühen sich mit wachsender Ernsthaftigkeit eine Haltung zur Welt einzunehmen und relevante Aspekte von Ungleichheit, Gerechtigkeit und Emanzipation kritisch zu reflektieren und auf ihr eigenes Handeln zu beziehen. 

Verbringen wir den ersten Festivalabend noch mit dem eigens für die MusikZeit 2021 konzipierten Projekt »Schumann disrupted« u.a. unter der Beteiligung der jungen Pianistin Johanna Summer im UT Connewitz und beschließen den Abend dort mit einem Konzert des neuen Duos Who Manatee der Posaunistin Shannon Barnett, drängt es uns bereits tags drauf ins Freie und wir erkunden mit Musiker*innen der Leipziger Szene den Osten der Stadt und waldiges Gebiet. Carl Christian Wittig’s Songs of Silver Gray thematisiert die romantische Hinwendung an das Leben des Waldes, dessen üppigem Wachsen jedoch längst vielerlei Bedrohungen gegenüberstehen. Mit Lancei & Uli – Mandeng x BAM wird ein anderer Aspekt des Musizierens im Freien aufgegriffen: Saxofonist Uli Huebner begrüßt den niedrigschwelligen Zugang zum Konzert vor der Ostwache in der Gregor-Fuchs-Straße. „Die Welt wird zum Club“ meint er und freut sich auch auf die erste musikalische Begegnung mit Djembéola Lancei Diouba. Beschlossen wird der Samstagabend mit einem DJ-Set von esclé aus dem Kontext des Sphere Radio Leipzig. Unsere Veranstaltungen auf dem Vorplatz der Ostwache sind zugleich der Auftakt des Langzeitprojekts »Leipzig Contains…?«, welches der lokale Radiosender initiiert hat. Das gesamte musikalische Programm des Abends wird nicht nur live vor Ort, sondern auch auf den Kanälen des Senders zu erleben sein. Zudem wird die im Rahmen unserer Kooperation mit Sphere vorproduzierte Radiosendung, die besonders das Projekt Lancei & Uli – Mandeng x BAM in den Blick nimmt, nicht nur online, sondern vor Konzertbeginn auch am Veranstaltungsort zu hören sein. 

Heiter und lehrreich wird es für Kinder ab 5 Jahren am Sonntag auf der Open-Air-Bühne der KAOS Kulturwerkstatt mit der Erstaufführung von Jolli sieht Grün. Sängerin Jorinde Jelen erzählt zusammen mit ihrer Band von den Tieren des Waldes, aber auch vom Klimawandel und den damit einhergehenden Gefahren. Ihren vorläufigen Abschluss findet die MusikZeit 2021 ebenfalls auf der dortigen Open-Air-Bühne mit dem Programm SOLASTALGIA. Trompeter Max Diller setzt sich mit seiner Band Blossom in seinen Kompositionen auch mit der Frage auseinander, wie wir Menschen auf die ökologischen und soziologischen Veränderungen unserer Zeit reagieren.

Ergänzend zum dreitägigen Festival findet im Winter das Projekt GROUP 50:50 unter Beteiligung des Schweizer Musikers Elia Rediger statt. Zukunftszugewandte musikalische Denkanstöße thematisieren das Scheitern, den Tod und die Weltwirtschaft. 

Wir möchten zu einem generationenübergreifenden Austausch darüber einladen, wie wir hoffnungsvoll gemeinsam Zukunft gestalten können und freuen uns auf all die spannenden Projekte dieser Musiker*innen und über euren Besuch.

Euer Team vom Jazzclub Leipzig

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