LEIPZIGER JAZZTAGE

Schatten ausleuchten: Ein- und Ausblicke über die Klanglandschaften der 49. Leipziger Jazztage

Foto: Simon Chmel
Foto: Simon Chmel

Schwelgerische Melodien, die Klangdickichte freier Improvisationen: Wieder führen uns die Leipziger Jazztage im groovy Rhythmus des modernen Jazz. Wir schöpfen ausgiebig aus der Kraft und der Energie der Musik, um über acht Festivaltage eine Entdeckertour durch das Genre anzugehen.

Ein erstes Highlight war ein Abend im UT Connewitz mit dem Duo Pino Palladino & Blake Mills, das filigrane Gitarrenmelodien mit virtuosen Basslinien verband. Beide Musiker bringen über ihre langjährige Karriere eine Vielfalt an Einflüssen mit: Palladino spielte mit Fiona Apple und John Legend, Mills mit The Who und Eros Ramazotti. Teils von weit her war das überwiegend junge Publikum in die restlos ausverkaufte Location angereist, um den beiden einzigen Deutschlandkonzerten beizuwohnen. Das Duo wusste mit Sam Gendel (Saxophon) und Chris Dave (Schlagzeug) zwei weitere gefeierte Musiker an seiner Seite. Die Band bedankte sich mit einem artifiziellen Sound, der sich als ähnlich subtil groovend und schwelgerisch erwies wie schon auf der zuletzt veröffentlichten Platte »That Wasn’t a Dream«.

Nicht nur hörens-, sondern auch sehenswert war die Premiere der knapp 60-minütige Dokumentation »Being Hipp – First lady of European Jazz« in den Passage Kinos. Der Film der Leipziger Regisseurin Anna Schmidt enthält Tonbandaufnahmen und Gespräche mit begeisterten Zeitzeug:innen. Die Dokumentationen verdichtet das Leben der in Leipzig geborenen Jutta Hipp, Pianistin von Welt, die sich den Jazz selbst aneignete und im kreativen Rausch New Yorks aufging. Auch die Schattenseiten, die Zweifel und die Sorgen, die sie als eine der wenigen Instrumentalistinnen damals begleitete, leuchtet der Film aus.

Fast zeitgleich tummelten sich etliche Musikbegeisterte in der Galerie KUB im Leipziger Süden beim Auftritt eines internationalen Trios. In jenem White Cube, der von allmählichen Farbwechseln immer wieder neu glüht, startete der Leipziger Damian Dalla Torre seine musikalische Traumreise. Diese Wallungen befeuerte die Sängerin Laura Zöschg, indem sie geräuschvoll knisterte, wimmerte oder durchdringend johlte. Vollends überwältigend wurde es, als sich Delphine Jousseins Flötenspiel mit Hilfe von Effektgeräten in wuchtigem Lärm auflöste – stark!

Nach den gefeierten Auftritten von Patricia Brennan und dem Duo SHABAKA & Nduduzu Makhathini am gestrigen Montag in der Schaubühne Lindenfels geht die Erkundungstour nun – gemäß dem diesjährigen Festivalmotto »Mapping Music« –weiter durch die Landschaften des gegenwärtigen Jazz. Besondere Sehenswürdigkeiten der kommenden Tage: Am heutigen Dienstag werden die beiden ungezähmten Duos »Agua Dulce« sowie »Witch’n’Monk« in der Schaubühne Lindenfels in Richtung Noise und Punk wüten. Am Folgetag wuchtet die serbische Sängerin Jelena Kuljić mit einem fulminanten Ensemble internationaler Musiker:innen, darunter Olga Reznichenko (Tasteninstrumente) und Christian Lillinger (Schlagzeug), »Fundamental Interactions« in das UT Connewitz. Spannend: die konzertanten Labore, in denen Improvisationen und musikalische Experimente brodeln. Den ersten Laborant:innen einer Gruppe um Markus Rom, E-Gitarre und Klangroboter, können wir am 16. Oktober 18 Uhr in der Galerie KUB lauschen.

Ob holprig und herausfordernd, ob eingängig und groovy – diese musikalische Reise ist eine lohnende. Mit dem Wagnis ist man auch nicht allein, sondern stets Teil einer wertschätzenden, offenen Gemeinschaft der Jazzhörer:innen in Leipzig.

Claudia Helmert

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