OPEN CALL »Body Time«
Bewirb dich mit deiner Idee für die 45. Ausgabe unseres internationalen Musikfestivals!
Dir ist heiß. Stoff klebt auf deiner Haut. Feuchtigkeit tropft von der Decke, dein Schweiß vermengt sich mit dem anderer. Dicht an dicht bewegst du dich in der euphorisierten Menge. Dann: Kühle in den Zehen. Sitzen und Tee schlürfen. Später noch spazieren gehen. Du musst dich neuerdings nicht mehr im Spiegel ansehen, dein Gesicht kennst du noch aus der letzten Video-Konferenz. Berührungen sind sowas von 2019.
Gänzlich unerwartet zieht Distanz in unseren Alltag ein. Was einem das ganze Leben lang selbstverständlich vorkam, wirkt plötzlich fragil, beinahe irreal. So wird uns bewusst, was wir doch eigentlich schon immer wussten: Menschen sind Wesen aus Fleisch und Blut, die Dinge erfahren, indem sie sich, in all ihrer Vergänglichkeit, durch Raum und Zeit bewegen.
Klangwellen treffen auf Trommelfelle, lassen einen erschauern oder Tränen fließen. Kopf und Fuß wippen im Takt, die Stimmung hebt sich, auch wenn man die Musik vielleicht noch nicht mal besonders gut findet. Spa-Anlagen werden von entspannenden Healing Sounds geflutet, treibende Beats animieren im Fitnessstudio zu Hochleistungen. Stimmbänder vibrieren im Chor, während beim Schuhplattler Hände auf lederbekleidete Oberschenkel klatschen. Diszipliniert musizierende Körper erinnern präzise die kleinsten Bewegungen und üben sich in Verbindung mit verschiedensten Instrumenten in Selbstoptimierung. Sie kennen schmerzende Gliedmaßen genauso gut, wie das Herzklopfen hinter der Bühne und die Glückshormone, wenn tosender Applaus einsetzt.Musizierende setzen Trends und ahmen solche nach. Sie formen ihre Körper, um zu gefallen, zu provozieren und zu protestieren. Wie in allen gesellschaftlichen Sphären werden sie aufgrund ihrer Größe, ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe bewundert, erotisiert und exotisiert, bewusst ausgegrenzt oder einfach übersehen. Manche trauen sich deshalb weder ins Scheinwerfer- noch ans Tageslicht, glauben – im Einklang mit allen anderen – kaum an ihre eigene Existenz.
In unserer diesjährigen Festivaledition wollen wir eine forschende Haltung einnehmen: Die jähe Unterbrechung des letzten Jahres beschert uns ein erhöhtes Reflexionsbewusstsein für die basalen Mechanismen unseres Erlebens. Fraglos mit viel Unglück verbunden, birgt die gegenwärtige Situation dennoch eine Chance in sich – die Chance, sich Gewohnheiten bewusst zu werden, diese zu hinterfragen und sich neuen Perspektiven hinzugeben. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht der menschliche Körper in seinem Verhältnis zu Raum, Zeit und Klang. Gemeinsam mit Künstler*innen und Publikum wollen wir den zentralen Stellenwert von Körperlichkeit im Kontext der Produktion und Rezeption von Musik umreisen sowie ungeahnte Potentiale des Wahrnehmens, Fühlens und Ausdrückens ausloten.
Willkommen sind innovative Projektideen, die sich in diesem Themenspektrum einfinden und Aspekte daraus auf besondere Weise erfahrbar machen und reflektieren. Interdisziplinäre Ideen sind genauso erwünscht, wie solche die ungewöhnliche Raumnutzungskonzepte beinhalten. Neben Konzert- und Performanceformaten freuen wir uns auch über Rede- und Ausstellungsbeiträge. Wer selbst nicht künstlerisch tätig ist, aber einen ultimativ passenden Vorschlag hat, wen wir unbedingt einladen sollten, darf sich ebenfalls gerne melden.
Aus allen eingesandten Projekten und Ideen werden mindestens fünf durch unser Festivalkuratorium ausgewählt und zu den 45. Leipziger Jazztagen vom 30.09.-9.10.2021 eingeladen, inklusive Fahrtkosten, Unterbringung und Honorar. Alle erforderlichen Unterlagen sind bis zur Bewerbungsfrist am 02. Mai 2021 per E-Mail an booking@jazzclub-leipzig.de mit dem Betreff »Body Time« zu senden.
Der Bewerbung ist beizufügen:
- Eine Kurzdarstellung der Projektidee, inkl. Raumvorstellung (max. 2 DIN A4 Seiten)
- Der künstlerische Werdegang der am Projekt beteiligten Personen
- Arbeitsproben falls vorhanden
Wir freuen uns auf eure Bewerbungen!