»Wenigstens in der Musik kannst du dich frei ausdrücken«: Interview mit Michael Wollny und Joachim Kühn
Der eine ist 1944 in Leipzig geboren und zog früh weg, der andere ist seit 2014 Wahl-Leipziger. Doch auch jenseits der Messestadt gibt es viele Verknüpfungspunkte zwischen Joachim Kühn und Michael Wollny: 2009 kam es zu einer ersten Zusammenarbeit der beiden Jazz-Pianisten. In diesem Jahr folgte das gemeinsame Album »Duo«. Kürzlich gab Joachim Kühn bekannt, sich Ende des Jahres von der Konzertbühne zurückzuziehen. Vorher gab er gemeinsam mit Wollny aber noch ein Konzert im Rahmen der 48. Leipziger Jazztage. Sein letztes in Leipzig, wie er auch im Rahmen unseres Gespräches noch mal betont. Wir trafen die beiden bei bester Laune am Tag nach ihrem Auftritt im Steigernberger Hotel in der Leipziger Innenstadt. Das Interview wurde in Kooperation mit dem Leipziger Stadtmagazin kreuzer geführt.
Während des gestrigen Konzerts hatte man das Gefühl, dass nicht nur das Publikum, sondern auch Sie – die beiden Herren auf der Bühne – sehr selig waren. Stimmt dieser Eindruck?
Joachim Kühn: Ja (überlegt lange).
Einfach nur Ja?
JK: Wie oft haben wir jetzt zusammengespielt, Michael? Vielleicht 20 Mal…?
Michael Wollny: …ja…
JK: …und da war das eigentlich immer der Fall, dass wir selig waren. Fast immer. Und deshalb spiele ich auch sehr gerne mit Michael.
MW: Das kann ich nur zurückgeben. Ich sage das immer wieder – und nicht nur, weil wir jetzt hier zusammensitzen: Joachim ist mein großer Held. Und jede Minute, in der wir zusammen Musik machen, trägt mich danach noch Wochen und Monate lang weiter. Das Gefühl hatte ich gestern während des Konzertes auch. Wir hatten einen tollen Flow. Manchmal gibt es Konzerte, da musst du nachdenken: Was passiert als Nächstes? Was mache ich jetzt? Gerade mit zwei Flügeln auf der Bühne ist das nicht immer ganz einfach. Gestern hatte ich aber das Gefühl, es kam eins zum anderen. Ich musste auf der Bühne gar nicht nachdenken.
JK: Das ging mir genauso, zum Glück. Während des gemeinsamen Musizierens nachzudenken, ist für die Musik nämlich sehr schädlich. Der Kopf muss nach Möglichkeit blank sein. Am besten, man taucht dabei in einen Dämmer- oder Traumzustand ein.
MW: Oft sind es ja schon die ersten Töne, die darüber bestimmen, ob das gelingt oder nicht.
JK: Genau! Die tragen schon vieles in sich. Und wenn sie stimmen, dann kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen.
Auf der Bühne zu stehen, ist für Sie beide Alltag. Beschleicht Sie dennoch noch so etwas wie Lampenfieber, bevor Sie wie gestern in einem vollen Opernhaus vor 1200 Leuten spielen?
JK: Nein. Mein erstes Konzert habe ich 1950 im Gohliser Schlösschen gespielt. Damals war ich sechs Jahre alt. Auch da hatte ich kein Lampenfieber. Ich stamme aus einer Künstlerfamilie. Mein Vater war Akrobat, und mein Bruder bekanntermaßen auch Jazzmusiker. Und wir hatten alle kein Lampenfieber. Und jetzt mit 80 Jahren noch damit anzufangen, wäre sicher nicht ratsam. Nervosität ist für mich anti-Musik.
Wie ist das bei Ihnen, Herr Wollny?
MW: Ich würde sagen, eine gewisse Grundanspannung ist da, bevor ich auf die Bühne trete. Und die ist auch gut, um fokussiert zu sein und alles auszublenden, was nichts mit dem Moment zu tun hat. Aber nervös bin ich nicht.
Sie, Herr Kühn, sind ja bekanntermaßen gebürtiger Leipziger, haben allerdings bereits mit Anfang 20 Jahren die Stadt verlassen. Überkommt Sie mitunter ein besonderes Gefühl, wenn Sie in den Flieger Richtung Leipzig steigen?
JK: Mein erster Besuch nach dem Mauerfall – im Februar oder März 1990 müsste das gewesen sein – war schon etwas Besonderes. Denn davor war ich ja fast 24 Jahre lang nicht in der Stadt gewesen [Kühn ist 1966 im Alter von 22 Jahren aus der DDR geflohen und konnte deshalb bis zum Mauerfall nicht wieder einreisen; Anm. d. Verf.]. Inzwischen hat sich das normalisiert. Ich bin hier geboren, habe hier die ersten 22 Jahre meines Lebens verbracht. Aber ich verbinde keinerlei heimatliche Gefühle mit der Stadt. Ich habe im Laufe der Jahrzehnte in verschiedensten Gegenden und Städten überall auf der Welt gewohnt. Ich bin ein Erdbürger und nur zufällig hier geboren. Das ist alles.
Sie haben beide schon oft auf den Leipziger Jazztagen gespielt. Was verbinden Sie mit dem Festival?
JK: Wenn ich an die Jazztage denke, ist mir Bert Noglik ganz besonders in Erinnerung. Ich habe hier schon oft gespielt in verschiedensten Konstellationen, unter anderem mit Ornette Coleman oder mit dem Thomanerchor. Das ging beides auf Berts Idee zurück. Ornette war damals sehr beeindruckt, in der Stadt Goethes zu sein. Und ich habe ihm die Thomaskirche gezeigt. Das letzte Mal, als ich hier war – 2016 muss das gewesen sein – habe ich in der Kongresshalle gespielt, in der ich zuvor das letzte Mal 1964 zusammen mit meinem Bruder gespielt hatte. Das war etwas Besonderes.
MW: Die beiden Konzerte mit Ornette und dem Thomanerchor kenne ich noch von Plattenaufnahmen. Das war damals in den 1990er-Jahren meine erste Verbindung mit den Leipziger Jazztagen. Bevor ich dann vor 10 Jahren hier hingezogen bin, habe ich auch schon einmal auf den Leipziger Jazztage gespielt. Auch in der Oper, aber unten im Keller, wo es eine kleinere Bühne gibt. Mittlerweile ist ja ein Generationswechswechsel innerhalb des Festivalteams vollzogen worden, wodurch sich auch neue Impulse ergeben haben.
Foto: Simon Chmel
Welche denn?
MW: Ich finde, was das Festival kennzeichnet, ist, dass es stets um innovative Narrative bemüht ist, die dann konzeptionell und musikalisch mit Leben und Inhalt gefüllt werden. Das gefällt mir sehr gut, und ich finde, das prägt auch wiederum die Konzerte des Festivals. Genauso übrigens wie die Musikgeschichte der Stadt – sowohl die der Klassik als auch des Jazz‘! Das war für mich eh etwas wirklich Tolles, als ich nach Leipzig gezogen bin: Du gehst aus dem Haus und stehst innerhalb weniger Minuten mitten in der Musikgeschichte, etwa vor der Thomaskirche oder vor dem Gewandhaus. Und wenn du möchtest, kannst du von dort aus direkt weiter zum Mendelssohn- oder Schumann-Haus. Leipzig hat diese unglaublich lange Tradition als Musikstadt, der begegnet man an allen möglichen Ecken und Enden. Und das merkt man auch den Konzerten an, die hier stattfinden.
Herr Kühn, wie sah denn das Leipzig aus, in dem Sie in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren aufgewachsen sind? Von einer Jazz-Szene im engeren Sinne konnte damals wohl noch keine Rede sein, oder?
JK: Nein, dahingehend gab es wirklich wenig. Es war ein fürchterliches Regime, das damals vorherrschte. Meine Familie hat sich von der SED immer ferngehalten. Wir hatten viele Künstlerfreunde und durch meinen Bruder lernte ich dann viele Musiker kennen, zum Beispiel auch aus dem Umfeld des Rundfunk-Tanzorchesters. Damals habe ich auch schon Bert Noglik kennen gelernt. Vor dem Gewandhaus gab es ein Kellergewölbe, dort gab es dann erste Jam-Sessions.
Wer spielte dort?
JK: Ich erinnere mich an eine Amateur-Band mit einem Musiker, mit dem ich noch in touch bin: Dieter Krüger. Er wohnt heute in Stuttgart. Und die Band spielte Modern-Jazz mit Ventilposaune und Gitarre. Aber vom Jazz konnte man damals nicht leben, deshalb spielten die meisten Bands damals Tanzmucke. Für mich war hingegen klar: Ich will nur spielen, worauf ich Lust habe. Und Tanzmusik gehörte nie dazu. Die habe ich nur ganz Anfang gemacht, zum Lernen. Aber mit Anfang 20 habe ich gesagt: Damit ist jetzt Schluss.
Jazz als Musik der Freiheit galt in der von großer Unfreiheit geprägten DDR als verdächtig, gar als imperialistisch. Würden Sie sagen, dass Ihre Hinwendung zum Jazz auch ein Akt der Rebellion für Sie war?
JK: Nein, überhaupt nicht. Das hatte für mich ausschließlich musikalische Gründe. Musik braucht keinen politischen Überbau, keinen Protest. Das lehne ich komplett ab. Für mich geht es in der Musik um Spiritualität. Es hat meiner Meinung nach immer einen Beigeschmack, wenn Musik im Namen der Politik missbraucht wird. Ich nehme das höchstens John Coltrane ab. Ansonsten dient der politische Anstrich oder die Protesthaltung in der Musik meist nur als Verkaufsargument, als Business-Trick.
Zurück zu ihrer Leipziger Zeit…
JK: 1964 bin ich für ein Jahr nach Prag gegangen. Damals hatte ich schon viele Connections, auch nach Polen, Ungarn oder in die Tschechoslowakei. In Prag hat sich damals nach einem Festival etwas Unglaubliches zugetragen: Wir waren in einer Bar, dort spielte Karl Berger mit seinem Trio. Ich war damals 20 Jahre alt und noch sehr schüchtern, fragte aber, ob ich mitspielen dürfe. Das hat mich viel Überwindung gekostet. Dann fingen wir an zu spielen, und noch nie zuvor hatte ich mit solch fantastischen Musikern zusammengespielt. Das war die Jam-Session meines Lebens. Ich konnte danach die ganze Nacht nicht mehr schlafen. Diese Jam-Session war die Grundlage für alles, was danach kam.
Können Sie sich noch an die Jam-Session Ihres Lebens erinnern, Herr Wollny?
MW: Ja! Ich muss so 19,20 Jahre alt gewesen sein, da erhielt ich einen Anruf von Guenter Hottmann, dem Jazzredakteur des Hessischen Rundfunks. Er sagte sagte mir: Wir haben hier gerade keinen Pianisten, und – ich weiß noch genau, wie er es formulierte: Du hast einen guten Leumund erhalten. Und dort habe ich dann Albert Mangelsdorff, Heinz Sauer, Ralf Hübner, Günter Lenz und weitere Jazzgrößen kennengelernt. In der Nacht bevor ich dann mit ihnen spielen sollte, konnte ich kein Auge zudrücken.
Und dann?
MW: Am nächsten Morgen bin ich in den Aufnahmeraum rein, und alle meinten bloß: Hallo Michael, schön, dass du da bist! Es war plötzlich alles ganz entspannt. Und aus dieser Gemengelage heraus hat sich dann für mich alles Weitere gefühlt wie von selbst ergeben – insbesondere eine wirklich intensive Zusammenarbeit mit Heinz Sauer. Und kurz danach habe ich dann auch dich, Joachim, kennen gelernt. Ich glaube aber, all das lässt sich niemals vorausplanen. Man muss offen sein, und man muss sich in den entscheidenden Momenten überwinden können und lernen, Dinge passieren zu lassen.
Was ist für ein Gefühl, wenn man als junger Musiker mit seinen Idolen auf der Bühne steht und auf einmal feststellt: Krass, ich kann hier auf Augenhöhe agieren?
JK: Mit 14 konnte ich schon gut Klavier spielen. Aber damals wurde mir bewusst: Wenn ich mit den anderen mithalten möchte, muss ich ab jetzt für die nächsten 10 Jahre jeden Tag 10 Stunden üben. Das habe ich dann durchgezogen. Und später konnte ich dann auch mit jedem spielen: Ob Standards oder frei improvisierend. Lange bevor ich mit Ornette spielte, habe ich geübt, während seine Platten im Hintergrund liefen. Das habe ich nicht nur einmal gemacht, sondern immer wieder. Wochen- und monatelang.
Ornette Coleman war bekannt dafür, ohne Harmonien zu spielen…
JK: …ja, davon hatte ich gehört, und ich habe mich gefragt: Wie ist das möglich, wie kann man so miteinander spielen? Aber es hat mich zugleich begeistert. Ich dachte: Wenigstens in der Musik kannst du dich frei ausdrücken, wenn du schon nicht sagen kannst, was du willst. In meiner Muttersprache, das wusste ich, musst du vorsichtig sein, sonst wirst du abgeführt. Ich hatte nur einen engen Freund, der die Wahrheit wusste, und mit dem ich darüber sprechen konnte. Als ich dann später – in den 1990er Jahren – mit Ornette spielte, merkte ich: Ich bin nicht sein Pianist, sondern wir sind Partner. Ornette hat immer die Haltung ausgestrahlt: Egal, wo du geboren bist oder welche Hautfarbe du hast, alles ist möglich.
MW: Bei mir war es so, dass ich in meinem Leben schon früh viele Einladungen erhalten habe von Leuten, die mir Türen geöffnet haben. Und es hat sich dann meist früh herausgestellt, dass man ganz automatisch auf Augenhöhe agiert hat. Das war mit Heinz so, mit Albert, und das war auch mit dir so, Joachim. Das fühlt sich zwar einerseits an wie ein Traum, andererseits spielt das in dem konkreten Moment gar keine so große Rolle. Denn man ist viel mehr damit beschäftigt, zu reagieren.
Foto: Arne Reimer
Auch Sie haben sich am Anfang Ihrer Karriere intensiv mit der Musik Ihres Idols auseinandergesetzt…
MW: Ich weiß noch, wie ich dich, Joachim, mal in München live gesehen habe, bevor wir uns kannten. Ich saß im Publikum und war wie vom Schlag getroffen, weil ich dachte: Sowas habe ich noch nie gehört. Ich verstehe überhaupt nicht, was los ist. Das war der reine Wahnsinn. Im Anschluss habe ich versucht zu transkribieren, was ich gehört habe. Später haben wir uns dann im Zuge meiner Abschlussarbeit getroffen, und du hast mir ein dreiseitiges harmonisches Konzept mit Skalen gegeben. Das habe ich dann mit meinem Transkript verglichen und gemerkt: Ok, ich war on-to-something.
Wenn man wie Sie beruflich derartig stark eingespannt ist in die Musik, wie verändert sich dadurch das Verhältnis zur Musik im Privaten?
JK: Ich höre jeden Tag Musik, mindestens eine Platte. Meistens die älteren, aber manchmal auch neuere Platten. Die haben für mich aber meist nicht den gleichen Impact. Die höre ich einmal und dann lege ich sie zur Seite, wohingegen ich die alten Meisterplatten immer wieder hören kann. Die altern nicht, im Gegenteil: Manche klingen heute noch besser als damals. Und abseits des Plattenhörens klimpere ich natürlich manchmal auch noch auf dem Klavier herum.
MW: Ich höre auch viel und sehr unterschiedliche Musik – oftmals auch bedingt durch Umstände, die ich gar nicht richtig beeinflussen kann. Etwa, weil Studierende etwas an mich herantragen oder weil ich ein Konzert vorbereite. Zum Beispiel war im vergangenen Jahr Ligeti-Jubiläum (György Sándor Ligeti war ein österreich-ungarischer Komponist; Anm. d. Verf.), da wurde ich dann für einige Konzerte angefragt, und dadurch bedingt habe ich sehr viel Ligeti gehört, und zwar alles, was ich finden konnte: Aufnahmen, Improvisationen und sogar Interviews.
Bekannt ist auch Ihre Leidenschaft für Popkultur…
MW: Ja, ich höre zum Beispiel aktuell die neue Platte von The Smile sehr viel. Die ist super! Auch Nick Cave höre ich gern. Musik hören, Lesen und Kino: Diese drei Komponenten sind mir sehr wichtig im Alltag, auch wenn da oft die Zeit knapp ist. Mich erinnert das manchmal an die Schulzeit, in der vieles vorstrukturiert war. Aber es gab immer auch Freiräume – eine Stunde hier, ein freier Tag dort – und die wurden dann sehr wichtig und intense für einen. Und so ist das heute auch bei mir: Ich brauche zwischen Hochschule, Familie, Konzerten diese eine intensive Stunde Musikhören, und dann hat man wieder 23 Stunden Zeit, damit das, was man aufgesogen hat, wirken kann.
JK: Aber eine Stunde ist nicht genug…
MW: …ja, da hast du Recht, ich müsste das eigentlich noch mehr machen!
JK: Für mich war klar, ich wollte spielen, worauf ich Lust habe. Das heißt: Keine Familie, keine Kinder. Dadurch gibt es für mich keine Trennung von Beruflichem und Privatem. Für mich gehört beides zusammen, es ist mein Leben. Musik ist für mich keine Arbeit. Arbeit ist für mich höchstens, den Koffer zu packen und zum Flughafen zu fahren, um zum nächsten Konzert zu fliegen. Aber das Konzert selbst ist passion.
Sie haben kürzlich angekündigt, zu Ende des Jahres Ihres Bühnenkarriere zu beenden. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
JK: Ich habe genug von der ganzen Sache. Ich kann nicht sagen, dass mir die jetzige Szene besonders gut gefällt. Für mich war die Szene der 1960er- und 1970er-Jahre ideal. Ich bin müde von den ständigen Reisen und auch von der wahnsinnigen Konzentration, die man vor einem Konzert aufbringen muss. Die geht ja nicht erst am gleichen Tag los, sondern Wochen, manchmal Monate vorher. Ein bisschen wie ein Boxer, der weiß: An dem Tag muss er in Form sein und das Bestmögliche geben. Das ist ein echter Kraftakt.
Foto: Simon Chmel
Werden Sie sich zur Ruhe setzen?
JK: Nein, ich werde weiter ins Studio gehen, experimentieren, und wenn ich Lust habe, etwas aufnehmen. Ich habe ein Studio um die Ecke, und dieser Luxus gefällt mir sehr gut. Ein paar Platten will ich schon noch machen. Und die nächste muss immer besser sein als die letzte, sonst brauchst du sie ja nicht zu machen. Das ist mir nicht immer gelungen, bei 150 Platten ist das ja auch schwierig. Aber es sind viele dabei, auf die ich immer noch ziemlich stolz bin.
Wenn Sie ihre Studiotätigkeit ansprechen: Gibt es denn noch Pläne, oder gar eine Art Masterplan für…
JK: …nein, nein, es gibt überhaupt keinen Masterplan für irgendwas, ganz und gar nicht. Der einzige Masterplan meines musikalischen Lebens war, genug Geld zu verdienen, um über die Runden zu kommen. Das hat immer geklappt, mal besser und mal schlechter.
Die besseren Zeiten waren vermutlich, als Sie in den 1970er-Jahrne bei Atlantic Records unter Vertrag standen…
JK: Ja, Sigi Loch hat mich da hin gelotst. Damals fand ich es reizvoll, auch mal erfolgreiche Platten zu machen. Das war die Zeit des Jazzrock. Ich war gerade in Kalifornien gelandet und hatte ein neues Leben begonnen. Ich habe mit neuen Sounds und Keyboards herumexperimentiert. Die erste Platte, die erschien, war »Springfever«, und die kam gleich in die Billboard Charts, genauso wie darauffolgende Platte. Da dachte ich mir: Ist ja ganz einfach.
Wann kommt denn die nächste Platte?
JK: Dieses Jahr habe ich schon viel gemacht. Daher werde ich die nächste Platte wahrscheinlich erst nächstes Jahr aufnehmen – sofern die aktuellen Stücke mir dann noch gefallen. Manchmal schreibe ich ein neues Stück, das mir drei Monate später schon nicht mehr gefällt. Dann landet es in der Tonne.
Wie halten Sie Ihre Stücke fest?
JK: Ich transkribiere sie. Das ist wie Briefe schreiben – nur, dass ich Noten viel lieber schreibe als Wörter.
(INTERVIEW: LUCA GLENZER UND BENJAMIN HEINE)