Vom Kinderzimmer auf die Konzertbühne: Andi Haberls SUN im UT Connewitz
Am 25.10. gibt Andi Haberl alias SUN im UT Connewitz einen Einblick in das Ergebnis einer jahrelangen Auseinandersetzung mit seinem Elternhaus. Er teilt eine intime musikalische Reflektion seiner persönlichen Entwicklungsgeschichte.
Schon ein Blick auf das Albumcover von Andi Haberls Debüt »I can see our house from here« lässt erahnen, womit er sich thematisch auseinandersetzt. Der sprechende Papagei, das bunte Schloss und comicartige Wolken wecken Erinnerungen an einen längst vergangenen Nachmittag mit Wachsmalstiften auf dem Fußboden im Kinderzimmer. Ein Ort, wo viele Geschichten ihren Anfang nehmen.
In einer kleinen Gemeinde in Oberbayern am Starnberger See liegen die Wurzeln des Komponisten. Hier hat er Schlagzeug spielen gelernt und hier kam er durch seinen Vater, der in einer Dixie-Band spielte, erstmals mit Jazz in Berührung. Aber genau hier trennten sich seine Eltern auch wieder. Und der Hausverkauf kurz darauf markierte endgültig das Ende einer Ära. Mit seinem ersten Solo-Album kehrt Haberl gedanklich zu dem Haus zurück, um die Trennung zu verarbeiten – mit dem Anspruch, sich nicht in nostalgische Strömungen ziehen zu lassen. Die neun Songs sind vielmehr eine Erkundungsreise von Räumlichkeit und drehen sich um die Frage, wie sie uns prägt. Sie handeln von der Vielschichtigkeit der Erinnerungen.
Die Fertigstellung des Albums erstreckte sich über fast zehn Jahre. Vielleicht dauerte es deshalb so lang, weil solche Reflexionsprozesse häufig aufwühlend sind. Vielleicht aber auch aufgrund seinem Mitwirken in zahlreichen Gruppen der Experimental- und Jazzszene wie beispielsweise Andromeda Mega Express Orchestra oder auch als Schlagzeuger der Indie-Pop-Band The Notwist.
Das fertige Resultat seines Solo-Debüts ist ein kompromissloses DIY-Projekt, das mit elektronischen Layern, aber auch mit viel akustischer Kraft überzeugt. Seine Loops und Samples erinnern an Gold Panda und Four Tet mit einem deutlichen Folk-Einschlag. Beim Opener »Missing« ebnen ausgedehnte Synthie-Akkorde und ein Banjo den Weg, bevor eine Trompete und schließlich ein Glockenspiel einsetzt. Die zahlreichen Instrumente erscheinen im dynamischen Wechselspiel wie verschiedene Protagonistinnen.
Auf Sprache verzichtet er fast vollständig und drückte sich vor allem mit Klangbildern aus. Kleinere Ausnahmen gibt es in zwei Tracks. Für »Daydream« steuert seine Tochter Juli die Vocals bei – was sich auch dahingehend deuten lässt, dass der Verlust von Orten und das Ende mancher Bindungen nicht das Ende von Familiengeschichte bedeutet. Sie geht einfach anderswo weiter.
Trotz Schlagzeugstudium am Berliner Jazzinstitut war Haberls Sound nie von Berührungsängsten gegenüber Popmusik geprägt. Dem Ideal der Improvisation ist er allerdings immer treu geblieben und gibt es auch in seinem Solo-Projekt nicht auf, wenn er in Begleitung von drei Musiker*innen Konzerte gibt. »Live machen wir natürlich unsere eigene Version draus«, hat er dem kreuzer im vergangenen Monat berichtet. »Ich habe Lust, die Stücke so ein bisschen variabler zu halten.«
TEXT: LEONIE BECKER