Eine Möglichkeit der Imagination: Amirtha Kidambi’s Elder Ones #2 im NSL
»In order to achieve liberation, we must first be able to imagine it« (Dt.: »Um Freiheit zu erreichen, müssen wir sie uns zunächst vorstellen können«), schreibt Amirtha Kidambi zu ihrer aktuellen Veröffentlichung »New Monuments«. Eine Möglichkeit der Imagination findet sie in der Musik, die viel mehr auszudrücken vermag als Worte. Dabei stehen die kraftvollen Improvisationen von Amirtha Kidambi’s Elder Ones für die Freiheit – so auch während ihres Konzertes im Rahmen der Leipziger Jazztage.
»You are free to do whatever you want« (dt.: »Ihr könnt machen, was ihr wollt«), ruft die US-amerikanische Musikerin gleich zu Beginn auf. Wie Freejazz den Musiker*innen ein ungehemmtes Miteinander ermöglicht, soll auch das Publikum ganz gelöst und frei reagieren. Die Zuhörer*innen verharren zwar auf ihren Plätzen, doch ziemen sie sich nicht, mit langem, lautem Applaus und Jubelrufen das Quintett zu befeuern. So laden Amirtha Kidambi‘s Elder Ones im Neuen Schauspiel Leipzig über knapp 90 Minuten in vielseitige Klanglandschaften ein.
Außerweltlich erscheinende Töne der Modularsynthesizer schaffen dabei vereinnahmende Geräuschkulissen, die das dröhnende Harmonium umschmeicheln. Kidambis warmes Timbre schmiegt sich mit poppigen Melodien an den Klangkörper oder schafft eine vereinnahmende Aura. Der Sound erstarkt besonders bei dem Track »Decolonize The Mind«, das die Rolle der Sprache für die Kultur verhandelt. Anfangs seufzt und schluchzt das Saxophon in einem wortlosen Zwiegespräch mit dem Gesang. Zum Schluss formulieren Amirtha Kidambi’s Elder Ones mit ihrer Musik – insbesondere durch das wuchtige wie eindringliche Schlagwerk Jazon Nazarys – eine klangvolle Anklage gegen gegenwärtige Hegemonien.
In ihrer Musik liegt eine beeindruckende Kraft, die sowohl in den Soli der einzelnen Musiker*innen durchbricht, aber ihre Wirkung insbesondere im Zusammenspiel entfacht. Sicher auch eine Analogie, die im Sinne Kidambis ist – Zusammenhalt in und durch die Musik erfahren, um auch unseren Alltag mit Solidarität zu bereichern.
TEXT: CLAUDIA HELMERT