Eine Bühne für Zwei: Wendy Eisenberg & Emily Wittbrodt #1 im Horns Erben (First Date)
Das Interesse für das Intime, das Ungebügelte und vielleicht auch das etwas Unangenehme ist wohl zutiefst menschlich. Trash-TV-Produktionen perfektionieren ihr Angebot dahingehend, wie etwa Vox mit ihrem »First Dates – Ein Tisch für Zwei«. Auch bei den Leipziger Jazztagen gibt es ein »First Date«. Und ich entdecke da ein paar Parallelen.
Das diesjährige »First-Date«-Konzert mit der US-amerikanischen Künstlerin Wendy Eisenberg und der Kölner Musikerin Emily Wittbrodt findet im gemütlichen Horns Erben in Bar-Ästhetik zwischen entspannt-biertrinkendem und plauderndem Publikum statt. Perfekt für ein Date! Dies veranlasst Eisenberg auch zu der Frage, wer im Publikum wohl noch gerade ein Date hätte. Doch der Kamerausschnitt ist eindeutig: Eine Bühne für Zwei. Und so werden die Augen und Ohren auf dieses ganz bestimmte Date gerichtet. Ich habe mich extra in die erste Reihe gesetzt, um so die zwischenmenschliche Kommunikation möglichst gut zu beobachten. Tatsächlich lässt sich eine gewisse Nervosität oder Unsicherheit feststellen, obwohl die beiden Künstlerinnen sich eigentlich schon tagsüber zum Kalibrieren getroffen hatten. Das ist keine glatte, überprobte Performance, sondern wirklich – ich traue mich fast nicht, dieses Wort zu wählen – authentisch.
Zuerst versuchen sie sich gemeinsam in hoher Tonlage einzugrooven. Dann halten sie sich immer wieder an eigenen Stücken fest. Erst eines von Eisenberg, dann eines von Wittbrodt. Eisenberg sagt beim Zweiten: »I love singing her music«. Beide blicken auf ihre Notizen, schließen die Augen, versuchen sich einzufinden, danken rasch für unsere Anwesenheit. Blickkontakte untereinander sind selten und nur flüchtig. Wittbrodt spielt mit ihren Zwischentönen oft eher etwas Eigenes, anstatt Eisenbergs Harmonien elegant zu ergänzen. Eisenberg zögert manchmal bei kräftigen Streicheinsätzen Wittbrodts. Ein sicherer Hafen sind die Hooks der Songs, in denen Wittbrodt auf ihrem Cello eingängige Motive spielt und Eisenberg dazu mit schöner Stimme ebenso schöne Texte singt. Manchmal doppelt sie die gesungene Melodie dann lässig mit ihrer Gitarre, manchmal stolpert sie über eine Passage und blickt leicht amüsiert zu Wittbrodt. Mit der Zeit entsteht da etwas auf der Bühne.
Dieses ehrliche Antasten, dieses Orientieren am grob Vorstrukturierten, dieser Gebrauch der einen oder anderen musikalischen Floskel – das erinnert doch wirklich an ein erstes Date. Aber eben an eines, bei dem beide Seiten ehrlich aneinander interessiert sind, auch wenn es kein direkter Selbstläufer ist. So kann dieses Konzert zum Vorbild dafür werden, dass sich dieser Prozess lohnen und daraus ein besonderer Moment entstehen kann. Im vierten gespielten Song ergänzt Wittbrodt Eisenbergs »In The Pines« so gut, dass sie von der Komponistin ein stank face einheimst. In der Zugabe des ersten Teils zeigt Wittbrodt, dass sie Chord-Progressions auch mit dem Cello strummen kann, was Eisenberg wieder mehr Raum gibt. Im Anschluss an diese Performance gibt es noch einen zweiten, separaten Teil. Ich habe leider nur ein Ticket für den Auftakt gehabt, was ich nun bedauere.
Für mich unterstreicht dieser Dienstagabend jedoch schon so, wie man mit einer positiven Art und einer Menge Kommunikationstraining (Notiz an mich: Instrument üben!) bereichernde Begegnungen haben kann. Es ist vielleicht weder »Liebe auf den ersten Blick«, noch »Gleich und Gleich gesellt sich gern« oder »Gegensätze ziehen sich an«. Vielmehr beweisen Wittbrodt und Eisenberg, dass sie Spaß am Spiel haben und nicht wie ein Duo aus dem Trash-TV um einen Eklat bemüht sind.
TEXT: KONSTANTIN SCHOSER