Dem Unbekannten auf der Spur: Felix Kubin spielt mit CEL im Werk 2
Im Rahmen der 48. Leipziger Jazztage tritt der Hamburger Dada-Enthusiast Felix Kubin am heutigen Freitagabend gemeinsam mit dem polnischen Perkussionisten Hubert Zemler im Werk 2 auf. Gemeinsam betreiben die beiden Musiker seit einigen Jahren das Projekt CEL. Um mehr zu erfahren, hat sich unser Autor Philipp Mantze auf Spurensuche begeben.
Lebenslanges Lernen und das Vorhaben, Neugierde und Entdeckerlust auch über die 20er hinaus zu behalten – das ist meistens doch eher eine Wunschvorstellung. Bald kehrt Routine ein, es geht ans Verwalten und wenn es gut läuft, können Lorbeeren eingeheimst werden. Bei Felix Kubin scheint das anders zu sein. Wer ist dieser nimmermüde werdende Lebenskünstler? Geht man blauäugig den Weg der Online-Recherche, rückt bald eher die Frage ins Zentrum, wer Felix Kubin alles nicht ist. An mal mehr, mal weniger schmeichelnden Labels mangelt es zumindest nicht.
Um ein von Begriffen unüberschattetes Bild zu bekommen, treffen wir uns zum Gespräch. Die einen oder anderen hard facts schälen sich aus dem Wissensdschungel wortakrobatischer Superlative aber schon vorab heraus: 1969 in Hamburg-Bergedorf geboren, wuchs er in hektischen Verhältnissen auf: In jedem Zimmer lief ein anderer Radiosender, dazu wurde viel geschrien. Schon als Kind hatte er ein eigenes Exemplar des heute legendären analogen Synthesizers Korg MS-20.
Ein wahres Erweckungserlebnis war die Entdeckung von Bands wie Der Plan oder Palais Schaumburg. Die entstammen jener kurzen Epoche deutscher Musikgeschichte, in der es plötzlich cool war, deutsche Texte zu experimentellem Pop zu singen, und in der die sogenannte Neue Deutsche Welle epidemisch die ganze Bundesrepublik überkam. Die fieberhafte Begeisterungskurve flaute bald wieder ab, aber für Felix Kubin blieb sie ein fixer Stern im Musikuniversum – zumindest ihre interessanteren Erzeugnisse. Mit seiner Jugendband Die Egozentrischen 2 knüpfte er an seine Vorbilder an. 1990 kam das Electro-Noise-Duo Klangkrieg mit Tim Buhre hinzu. Seither fällt es schwer, einen Überblick über Felix Kubins umtriebige Projekte zu behalten.
Seine Stimme am Telefon klingt weich, fast jugendlich. Sein Küstendialekt verrät schnell seine Herkunft. Schaut man sich Auftritte und Fotos der Künstlerfigur Felix Kubin an, könnte man eine gewisse affektive Selbststilisierung erwarten: aber mitnichten. Ganz im Sinne des diesjährigen Festivalmottos nimmt er sich Zeit und fängt – vor Wissen und Erfahrung übersprudelnd – an zu erzählen.
Die Geschichte von CEL reicht zurück in die frühen 2000er-Jahre, als Kubin mit der polnischen Band Mitch & Mitch zusammenarbeite. Über Lado ABC-Labelbetreiber Macio Moretti und den Perkussionisten Milosz Pekala – beides Veteranen der polnischen, sogenannten Yass-Szene – treffen Zemler und Kubin schließlich aufeinander.
Am Hörer schwärmt er von der Musikszene Warschaus und Danzigs zu jener Zeit. Er traf dort auf viele klassisch ausgebildete Musiker mit einer Vorliebe für Minimal Music à la Steve Reich und Terry Riley, die aber auch keine Scheu vor Einflüssen aus Jazz, Folk, Elektronik oder Punk und Rock hatten. Aus eben jener Szene entstammt auch Hubert Zemler. Das erste große gemeinsame Projekt ist die NDR-Auftragsarbeit »Takt der Arbeit«, eine Vertonung von archivierten Schulungs- und Funktionsfilmen zum 1. Mai.
Der Name CEL entstammt dem Polnischen und lässt sich mit »Ziel« oder »Zweck« übersetzen, ist aber zugleich auch ein Lehnwort aus dem Deutschen. Wer darin ein Statement zur deutsch-polnischen Freundschaft vermutet, wird schon in Felix Kubins Hörspiel – einer für ihn kaum zu überschätzenden Kunstform – »Territerrortorium« fündig. Hinter dem Projekt steckt aber auch eine musikalische Vision: Das vom NEU!– und Kraftwerk-Schlagzeuger Klaus Dinger so kultivierte hypnotisch-motorische Drumming wird von Zemler in seinem Spiel aufgenommen und mit den programmierten elektronischen Sequenzen Kubins in den Ring geworfen. Im Sog repetitiver Patterns, wie man sie aus der Minimal Music kennt, soll sich die Musik auf eine Quintessenz reduzieren.
Warum aber reicht keine Drum Machine, wozu braucht es einen leibhaftigen Perkussionisten? Trotz aller Vernarrtheit in elektronische Maschinen, die sich nicht zuletzt in eigenen Erfindungen zeigt – etwa dem auf dem Album eingesetzten Mechatronikon –, ist der akustische und visuelle Live-Aspekt für Kubin nicht zu ersetzen.
Stets an der Schnittstelle von Wissenschaft und bildenden Künsten mäandernd, ist das Leben des Felix Kubin eine nicht aufhörende Beschäftigung mit dem Unbekannten, dem noch nicht Entdeckten, aber auch dem bislang sträflich Missachteten. Im Kern bleibt es immer das Experiment, die Annäherung an etwas. Ein nie endendes Projekt, dem wir gerne zusehen.
TEXT: PHILIPP MANTZE